Streitgespräche in Beziehungen sind unvermeidlich. Da, wo Menschen aufeinandertreffen, gibt es verschiedene Meinungen, Interessen und Bedürfnisse. Wenn es auch bei dir ab und an mal in der Beziehung knallt, ist das gar nicht schlimm. Im Gegenteil, denn Konflikte können sogar als Indikator für eine funktionierende Partnerschaft angesehen werden: denn sie bieten eine Plattform, um Unzufriedenheiten zu äußern, Meinungsverschiedenheiten zu klären und gemeinsam zu wachsen.
Anstatt also Konflikte zu meiden, gilt es zu lernen, diese auf konstruktive Weise zu führen. Wie du ein Streitgespräch in einer Beziehung richtig führen kannst, ohne dass es zu unnötigen seelischen und körperlichen Verletzungen kommt, erfährst du hier.
Jeder Mensch bringt eigene Interessen, Wünsche und Bedürfnisse in eine Beziehung ein. Die Vorstellung, es könne immer ohne Meinungsverschiedenheiten zugehen, entspringt einem Wunschdenken, das der komplexen Realität menschlicher Beziehungen nicht gerecht wird.
Tatsächlich sind Konflikte nicht nur unausweichlich, sondern auch essenziell für die Gesundheit und das Wachstum einer Partnerschaft. Wer versucht, jedem Streit aus dem Weg zu gehen, mag auf den ersten Blick die Harmonie bewahren. Konfliktvermeidung kann kurzfristig bequem erscheinen, langfristig jedoch führt sie zu einer Ansammlung ungelöster Themen, die die Beziehung belasten können. Konfliktvermeider verpassen die Gelegenheit, die Beziehung auf eine tiefere, ehrlichere Ebene zu führen.
Streitgespräche sind dafür da, Unzufriedenheit auszudrücken, Meinungsverschiedenheiten zu klären und die eigenen Bedürfnisse sowie die des Partners besser zu verstehen. Konflikte bieten die Chance, gemeinsame Werte zu definieren und Kompromisse zu finden, die beiden Partnern gerecht werden. Sie zwingen uns, unsere Kommunikationsfähigkeiten zu schärfen und mit den natürlichen menschlichen Tendenzen zu Aggression und Impulsivität umzugehen. Anstatt diese zu unterdrücken, ist der bewusste Umgang damit entscheidend.
Konflikte in Beziehungen sind also nicht das Problem, sondern die Art und Weise, wie wir sie angehen.
Oft höre ich von meinen Klienten, dass sie kritische Themen lieber nicht ansprechen, weil sie Angst haben, dass die Probleme dadurch größer werden. Daher scheuen sie das Streitgespräch.
Diese Haltung ist vergleichbar mit dem folgenden Bild: Stell dir vor, dein Wagen macht ungewöhnliche Geräusche. Anstatt diesen nachzugehen, ignorierst du sie lieber. Dann brauchst du dich aber auch nicht wundern, wenn dein Wagen „plötzlich” liegen bleibt. Wärst du früher damit in die Werkstatt gefahren, hättest du dir viel Ärger und Kosten erspart.
Genauso verhält es sich mit Meinungsverschiedenheiten und Interessenskonflikten. Diese belasten ja bereits die Beziehung. Und von alleine verschwinden diese selten.
Probleme anzusprechen macht diese nicht größer. Genau das Gegenteil ist der Fall. Erst durch Aussprache und Klärung können Beziehungsprobleme gelöst werden.
Gibt es also Themen, die zu Missstimmung in deinen zwischenmenschlichen Beziehungen führen, so rate ich dir, rechtzeitig den Mut für eine Konfrontation aufzubringen. Jedoch erst, nachdem du diesen Artikel vollständig gelesen hast ;)
Bei einem Streit sind im Normalfall von beiden Seiten Emotionen im Spiel. Dies ist auch der Grund, warum ein Streitgespräch oft nicht kontrolliert abläuft, sondern irrationale Verläufe annimmt. Die meisten Menschen haben ein eher negatives Bild von einem Streit, weil sie Meinungsverschiedenheiten oft mit heftigen Emotionen und Verletzungen in Verbindung bringen. Und tatsächlich haben viele genau diese Erfahrung mit den eigenen Eltern oder früheren Beziehungen erlebt, und wollen dies nun vermeiden. Deshalb fällt es vielen auch so schwer, richtig zu streiten.
Darüber hinaus haben die meisten auch nie gelernt, wie man ein Streitgespräch richtig führt. Schon in unserer Kindheit wurde uns eingebläut, dass Auseinandersetzungen „schlecht” sind. Der konstruktive und schöpfende Charakter eines Streits fällt dabei völlig unter den Tisch.
Wenn Paare stolz verkünden „Wir streiten nie”, läuten bei mir sämtliche Alarmglocken:
Egal ob nicht können oder nicht wollen: Die Vermeidungshaltung zum Thema Konflikt ist oftmals groß.
Oft ist es tatsächlich so, dass Menschen, die Konflikten ständig aus dem Weg gehen, ganz andere Probleme haben, die mit dem Partner gar nichts zu tun haben. Beispielsweise könnte ein geringes Selbstwertgefühl ein Grund sein, ständig nachgiebig zu sein. Sollte das bei dir der Fall sein, dann lies unbedingt meinen Blogartikel zum Thema „Selbstwertgefühl steigern”.
Oder eine generelle Verlustangst könnte dafür verantwortlich sein, dass du deine eigenen Interessen nicht durchsetzen willst, um die Beziehung bloß nicht zu gefährden. Solltest du solche Tendenzen bei dir erkennen, so ist Selbstreflexion dein Mittel der Wahl. Mein Blogbeitrag zu Bindungsstilen im Erwachsenenalter könnte dir Hinweise geben, ob du möglicherweise einen ängstlich-ambivalenten Bindungsstil hast.
Aber keine Sorge, falls du bis jetzt den Konflikt gescheut hast. Richtig Streiten kannst du lernen! Im Folgenden erhältst du einige konkrete Tipps für einen fairen und konstruktiven Streit.
Fangen wir erst einmal mit einigen sprachlichen Feinheiten an. Diese haben eine große und oft unterschätze Wirkung. Danach geht es dann um konkrete Deeskalationstechniken.
Einer der Hauptgründe, warum Streits eskalieren, sind sogenannte Zuschreibungen. Immer, wenn du jemanden eine Eigenschaft, Absicht oder Verantwortung anheftest, ohne dass diese ausreichend belegt sind, so handelt es sich um eine Zuschreibung. Sie basiert auf der Interpretation des Verhaltens oder der Aussagen der anderen Person. Vor allem Vorwürfe, Beleidigungen und Beschuldigungen fallen unter diesen Punkt. Beispielsweise
Dass du im Streit keine Schläge unter die Gürtellinie verpassen solltest, ist dir hoffentlich klar. Denn damit begibst du dich automatisch in eine destruktive Spirale.
Aber auch, wenn es bei einigen Zuschreibungen auf den ersten Blick so aussieht, als tust du nur deine Meinung kund, schreibst du deinem Gesprächspartner eine Persönlichkeitseigenschaft oder ein Motiv zu. Das ist quasi wie mit dem Finger auf jemanden zu zeigen ...
Anstatt über Lösungen nachzudenken, schaukeln man sich leicht hoch und es geht nur noch darum, den anderen zu verletzen. Zynische oder beleidigende Äußerungen mögen zwar kurzfristig als Ventil dienen, nachhaltig sind diese jedoch nicht.
Jedoch sind es nicht nur Beleidigungen, die verletzen. Auch subtilere Bewertungen verhindern ein konstruktives Streitgespräch. Zuschreibungen führen zu nichts als Widerstand beim Gesprächspartner, weil dieser sich zu recht unfair behandelt fühlt. Und ein konstruktives Gespräch ist nicht mehr möglich.
Anstatt nun darüber zu reden, was der andere macht oder ist, sage lieber, was mit dir ist! In der Kommunikationswissenschaft spricht man von Ich-Botschaften. Teile dich mit und sag, was die Situation in dir auslöst!
Beispielsweise „Ich bin wütend.” oder „Ich bin traurig.”
Aber Vorsicht: Nutze Ich-Botschaften nicht, um daraus Passivkonstruktionen zu bilden wie beispielsweise „Ich fühle mich im Stich gelassen”. Denn das ist immer noch die verdeckte Du-Botschaft „Du hast mich im Stich gelassen!”. Nur eben als Ich-Botschaft verpackt.
Und ganz nebenbei: „Im Stich gelassen” ist kein Gefühl. Traurig, wütend, ängstlich etc. sind Gefühle. Mehr dazu im Blogartikel „Gefühle richtig ausdrücken”.
Natürlich darfst du in Streitgesprächen weiterhin deinen Partner adressieren. Nur solltest du darauf achten, absolute Verallgemeinerungen zu vermeiden. Genau das passiert nämlich bei einer Zuschreibung, denn diese drückt implizit aus, der andere sei immer so („Du bist …”) .
Aber auch direkte Pauschalisierungen werden Widerstand erzeugen:
Das sind beides schwerer zu verdauende Geschosse als
Bei den beiden unteren Sätzen wird eine situationsbezogene, konkrete Handlung angesprochen. Anstatt ein pauschales Urteil wie bei den oberen mit den Zusätzen „immer” und „nie”.
Mit konkreten Situationen und Beispielen lässt sich viel besser arbeiten!
Mit Ausdrücken wie „ständig”, „immer” oder „jedes Mal” wirst du garantiert auf Widerstand stoßen. Allein aus dem Grund, weil es unwahrscheinlich ist, dass etwas ausnahmslos so ist.
Nutzt du Pauschalisierungen, so brauchst du dich auch nicht wundern, wenn sich dein Gesprächspartner nun mit der Ausnahme von der Regel verteidigt („Von wegen immer, letzten Dienstag habe ich …”). Und schon verlagert sich euer Clinch auf Nebenkriegsschauplätze.
Auch solltest du unbedingt Interpretationen und Fakten trennen. „Du bist eine Zicke” ist nicht nur eine Zuschreibung, sondern ebenfalls deine subjektive Wahrnehmung.
Konzentriere dich lieber auf Fakten bzw. auf konkrete Begebenheiten! Anstatt jemanden an den Kopf zu werfen „Du interessierst dich nicht für mich.”, was deine Interpretation der Begebenheit ist, teile lieber mit, was du wirklich wahrgenommen hast!
Beispielsweise „Ich bin traurig, weil du mich gerade unterbrochen und nicht angehört hast, was ich zu sagen habe.”
Nun, da du weißt, was Zuschreibungen, Pauschalisierungen und Interpretationen sind, verstehst du vielleicht besser, warum Sätze wie „Du bist wie deine Mutter / dein Vater” Argumente sind, mit denen du viel Öl ins bereits lichterloh brennende Feuer gießt.
Soweit so gut. Nun hab ich dir drei Dinge erklärt, die du im Streit nach Möglichkeit unterlassen solltest. Aber wie teilst du dich nun richtig mit, um konstruktiv Streitgespräche führen zu können?
Der folgende Tipp fürs konstruktive Streiten in Beziehungen beschreibt eine generelle, deeskalierende Strategie zum Streit:
Versuche erst, dein Gegenüber zu verstehen, bevor du selbst verstanden werden willst! Diese Haltung ist basierend auf Stephen R. Coveys „first seek to understand, then to be understood” aus seinem sehr lesenswerten Buch „Die 7 Wege zur Effektivität: Prinzipien für persönlichen und beruflichen Erfolg“ (Amazon Link).
Konstruktive Gespräche kannst du nämlich nur führen, wenn du verstanden hast, worum es deinem Kontrahenten überhaupt geht! Dann kannst du deine eigenen Argumente auch viel zielgenauer auf die Bedürfnisse des Gegenübers ausrichten.
Aber keine Sorge, du kommst trotzdem nicht zu kurz. Es gibt in der Kommunikationswissenschaft den schönen Satz „Verstehen heißt nicht automatisch, auch einverstanden zu sein.”
Das bedeutet konkret, dass du die Meinung des anderen anerkennen kannst, selbst wenn du diese nicht teilst. Du darfst dein Gegenüber also ausreden lassen, und kannst immer noch blöd finden, was er sagt.
Beobachte einmal dich selbst! In dem Moment, in dem du das Gefühl hast, verstanden zu werden, bist du auch viel gewillter, dein Gegenüber zu verstehen. Und wirst dich auf seine Argumente einzulassen. Deinem Gesprächspartner geht es da nicht anders als dir ;)
Hast du schon mal Feedback von deinem Vorgesetzten bekommen, und er hat sowas gesagt wie „Ich bin zufrieden mit Ihrer Leistung, aber die Präsentation gestern hätte besser laufen können ...”?
Abgesehen davon, dass dieses Feedback aus diversen Gründen nicht konstruktiv ist (wie konstruktives Feedback im Detail aussieht und wie du dieses Geben kannst, kannst du hier nachlesen), hast du dich wahrscheinlich durch „Ich bin zufrieden mit Ihrer Leistung, ABER ...” nicht wirklich gewürdigt gefühlt. Denn alles, was vor dem „aber” steht, wird relativiert.
Ein sehr einfaches Mittel, um den Standpunkt deines Gegenübers zu würdigen, ist das Wörtchen „aber” durch „und” zu ersetzen. Kleines Fallbeispiel:
„Du möchtest mit mir zusammen auf den Geburtstag deiner Freundin, aber ich möchte mit den Jungs um die Häuser ziehen.”
Möchtest du die Position des Gegenübers erst einmal gleichwertig neben deiner stehen lassen, solltest du das Wörtchen „aber” streichen. „Du möchtest auf den Geburtstag und ich möchte mit den Jungs um die Häuser ziehen.”. Jetzt stehen beide Aussagen erst einmal auf Augenhöhe nebeneinander und können verhandelt werden.
Auch grundsätzlich solltest du das Wörtchen „aber” nahezu komplett aus deinem aktiven Sprachgebrauch streichen. Es sei denn, du willst bewusst Nebensätze aushebeln.
Beispielsweise, wenn du ein Verkäufer bist: „Dieses Modell ist unser hochpreisiges, aber es verfügt zusätzlich über folgende Features …”.
Damit hebelst du sozusagen den hohen Preis durch die folgenden Argumente aus.
Mit dieser einfachen Änderung eines einzigen Wortes hast du die Gegenposition erst einmal anerkannt. Und nur, weil du den Standpunkt anerkennst, heißt das noch lange nicht, dass du diesen auch gutheißt. Einen Kompromiss könnt ihr jetzt immer noch finden.
Wenn du deinem Streitpartner etwas erklärst und dieser beispielsweise mit „Ja, aber...” antwortet, fühlst du dich ziemlich sicher auch nicht ernst genommen. Du wirst nicht das Gefühl haben, dass dieser deinen Standpunkt ausreichend würdigt. Geschweige denn überhaupt darüber nachgedacht hat. Andere viel besser abholen kannst du mit der folgenden Technik des Paraphrasierens.
Um deinen Gesprächspartner im Streitgespräch wirklich das Gefühl zu geben, dass du diesen verstehst, empfiehlt es sich, einfach kurz zu wiederholen und zusammenzufassen, was dieser eigentlich gesagt hat.
Um Missverständnisse aus dem Weg zu räumen, empfiehlt sich ein Satzbau wie „Habe ich das richtig verstanden, dass du … empfindest / glaubst / möchtest … ?“
Wenn dein Gesprächspartner dies bestätigt, wird er sich abgeholt und wertgeschätzt fühlen. Und ist nun viel empfänglicher für deine Ausführung.
Solltest du etwas falsch verstanden haben, so bitte deinen Gesprächspartner, es dir nochmal in anderen Worten zu erklären. So kommt ihr beide einer Lösung näher.
Ebenfalls genauso wirkungsvoll wie das Paraphrasieren, bei welchem du inhaltlich wiederholst, kannst du auch das ansprechen, was du an Emotionen wahrnimmst. Wie beispielsweise „Auf mich wirkt es so, als bist du wütend deswegen!?”
Wie oben bereits angesprochen glauben viele, dass Emotionen dadurch schlimmer werden, wenn man diese adressiert. Aber genau das Gegenteil ist der Fall. Es zeigt eher, dass du empathisch bist und die Sichtweise und Empfindungen deines Gegenübers würdigst.
Anstatt zu versuchen, Emotionen zu unterdrücken, wie bei einem „Reg dich doch nicht so auf!”, lass diese zu bzw. sprich diese an! Du wirst überrascht sein, wie klärend dies für einen Konflikt ist.
Höchstwahrscheinlich wird dein Gesprächspartner je nach tatsächlicher Stimmungslage antworten mit „Ja ich bin wütend, weil …” oder „Nein, ich bin nicht wütend, ich bin eher traurig, weil …”.
So oder so lässt du immer noch Freiraum, dass dein Gesprächspartner seinen Standpunkt erläutern kann. Damit trägst du zur Klärung des Konfliktes bei. Ebenfalls werden so die Emotionen im Streitgespräch abgebaut, weil vermitteltes Verständnis dazu beiträgt, Menschen wertzuschätzen.
Sich verstanden zu fühlen, ist das Hauptanliegen vieler Streitender. Du gibst von deiner eigenen Position nichts auf, wenn du deinem Gegenüber Verständnis entgegenbringst für Standpunkte und erlebte Emotionen. Jedoch ist die Chance viel höher, dass er viel eher bereit ist, dich zu verstehen.
Ebenfalls solltest du auf eine offene Körpersprache achten! In meinem Blogartikel zum Thema Körpersprache habe ich dir bereits Tipps zum Lesen von nonverbalen Signalen gegeben.
Vor allem im Streitfall ist eine offene, empfangende Körpersprache sinnvoll. Damit kannst du unterstreichen, dass du wirklich an der Sichtweise deines Gegenübers interessiert bist. Eine Aussage beispielsweise wie „Ich verstehe deinen Standpunkt.” wird dein Gesprächspartner als authentischer wahrnehmen, wenn du dabei nicht deine Arme verschränkst und abgewendet bist.
Auch auf Augenrollen und ähnliche Gesten solltest du verzichten, um deinen Gesprächspartner nicht unnötig zu provozieren.
Dreh dich deinem Streitpartner zu und nimm eine offene Körperhaltung ein! Hör aufrichtig zu und unterstreiche dies mit deinem Körper!
Oft erhitzen sich die Gemüter im Zwist, weil einer oder beide sich einfach nicht verstanden fühlen. Dem kannst du nun mit diesen Tipps zur Empathie und fairen Art der Gesprächsführung deeskalierend entgegenwirken.
Vertrau mir: In dem Moment, in welchem sich dein Gesprächspartner verstanden fühlt, ist eine sachliche Diskussion viel wahrscheinlicher. Hör dir also an, was dein Gegenüber zu sagen hat und worum es ihm oder ihr eigentlich geht! Danach kannst du immer noch deine Interessen vertreten.
Dein Standpunkt soll natürlich ebenfalls nicht zu kurz kommen. Wie du diesen richtig vertrittst, davon handelt der nächste Abschnitt.
Geh nicht davon aus, dass dein Partner alles weiß oder wissen sollte! Denn er erlebt Dinge oft völlig anders als du selbst.
Weiter oben unter dem Punkt „Interpretationen unterlassen” erklärte ich bereits, dass Interpretationen nicht weiterführen und ziemlich fehleranfällig sind. Beispielsweise Sätze wie „Du warst doch dabei und hast alles gesehen.” oder „Du solltest doch wissen, wie ich mich fühle.” sind eher deine Annahmen als Tatsachen.
Vielleicht war dein Gegenüber kurz abgelenkt oder mit seinem eigenen Innenleben beschäftigt. Derartige Vorwürfe werden eher zu Widerstand und Verteidigung führen, anstatt euch voranzubringen.
Es gibt ein sehr einfaches und hervorragend für Streitgespräche geeignetes System, wie du die bisherigen Punkte im Streit berücksichtigen kannst. Und deinen Standpunkt konstruktiv vermittelst, ohne dass der andere verletzt wird.
Dieses einfache System basiert auf der „gewaltfreien Kommunikation” von Marshall B. Rosenberg (Amazon Link) und in meinem Artikel Bedürfnisse mitteilen habe ich es kompakt erklärt.
Was ist dein Ziel? Was ist das Ziel deines Partners?
Euch sollte klar sein, warum bzw. worüber ihr eigentlich streitet!
Auf den ersten Blick scheint dies klar zu sein, ist es aber in Streitgesprächen in der Realität oftmals nicht.
Erst, wenn ihr wirklich wie oben beschrieben Standpunkte, Ängste und Bedürfnisse geklärt habt, wisst ihr, worum es euch eigentlich geht.
Tatsächlich geht es oft um ganz andere Themen, als an der Oberfläche behandelt werden. Erst, wenn das geklärt ist, könnt ihr euch auch an eine konstruktive Lösungssuche machen! Die Tipps in meinem Blogbeitrag zum Aktiven Zuhören werden dir helfen, durch gute Fragen die Standpunkte und Ziele des „Gegners” herauszuarbeiten.
Ebenfalls sollte aus jedem Streitgespräch ein Ergebnis entstehen! Welche Vereinbarung wollt ihr für die Zukunft treffen? Was soll sich ab jetzt ändern? Erst durch eine Lösungsorientierung wird ein Streit konstruktiv.
Du solltest immer versuchen, bei Differenzen echte Kompromisse bzw. Win-win-Situationen zu erzeugen. Das ist genau dann der Fall, wenn eure beiden Bedürfnisse gedeckt sind.
Was nützt es dir, wenn du „gewonnen hast” oder „Recht” hast, aber die Beziehung nun nachhaltig gestört ist? Weil sich bei deinem Gegenüber beispielsweise Groll angesammelt hat. Dieser staut sich dann bist zu dem Punkt an, an welchen du anstatt Liebe Verachtung erntest und die Beziehung scheitert.
Tragfähige Beziehungen können zwar kurzfristig im Ungleichgewicht sein, weil einer bspw. auf etwas verzichtet, um es dem anderen dieses eine Mal recht zu machen. Auf Dauer sollten in gesunden Partnerschaften Geben und Nehmen im Einklang sein!
Deshalb ist es auch so wichtig, wie im Abschnitt „Standpunkt anerkennen” beschrieben, verstehen zu wollen, worum es deinem Partner eigentlich geht. Dafür eigen sich die oben beschriebenen Techniken des Perspektivwechsels und aktivem Zuhören.
Dann werden Lösungen, die für beide Parteien funktionieren, wahrscheinlicher.
Im Streit immer fair und sachlich zu bleiben, ist natürlich eine schöne Vorstellung und ein nobles Ziel. Aber mal ganz ehrlich: Etwas unrealistisch ist das schon.
Es geht im Streitfall gar nicht darum, immer politisch korrekt zu sein. Lediglich Verletzungen, die lange nachhallen können, sollten vermieden werden!
Es spricht also auch nichts dagegen, im Streitgespräch zu schreien oder zu weinen, wenn dir danach ist. Deine eigenen Gefühle zu unterdrücken, ist auf Dauer keine gute Idee. Das (konstruktive!) Zeigen deiner Gefühlslage vermittelt deinem Gegenüber, dass die Themen für dich emotional aufgeladen – und damit wichtig für dich sind.
Alles, was oben unter dem Punkt „Gefühle ansprechen” steht, gilt natürlich nicht nur für die Gefühle deines Streitpartners, sondern ebenfalls für deine eigenen.
Bevor deine Streiterei jedoch in verletzende Auseinandersetzungen eskalieren, im folgenden noch einige Tipps, um den Dampf aus dem Kessel zu nehmen.
Mit folgenden Tipps werden körperliche uns seelische Verletzungen minimiert und tragfähige Beziehungen aufgebaut, wenn die Emotionen doch zu sehr überkochen.
Wähle eine entspannte, neutrale Situation, um mit deinem Partner zu sprechen. Kündige an, dass du über ein bestimmtes Thema reden willst und hole dir zunächst eine Zustimmung dafür.
Akzeptiere, wenn dein Gegenüber in der Situation nicht bereit ist, weil dieser zum Beispiel innerlich gerade mit anderen Dingen beschäftigt und nicht offen ist. Dann vereinbare in jedem Fall kurzfristig einen anderen Zeitpunkt, an dem ihr beide ungestört Zeit habt!
Zeige in jedem Fall auf, dass es dir nicht darum geht, euch alte Verletzungen an den Kopf zu werfen oder ähnliches. Sondern darum, gemeinsame Lösungen zu finden.
Beispielsweise: „Ich möchte, dass wir über unsere Auseinandersetzung gestern reden. Ich wünsche mir, dass wir lernen, besser aufeinander einzugehen, sodass wir einen gemeinsamen Weg finden.”
Auch kannst du für Streitgespräche ganz konkrete Regeln definieren.
Wenn du beispielsweise unterbrochen wirst, während du sprichst, weise freundlich und bestimmt darauf hin, dass du gleich bereit bist, zuzuhören. Jetzt möchtest du erst mal erzählen.
Auch sollte jeder von euch erst einmal die Möglichkeit haben, Gedanken und Gefühle zu äußern, bevor es an Lösungsvorschläge geht. Zu frühe Lösungsversuche bergen die Gefahr, dass noch nicht die gesamte Information (Gefühle, Gedanken, Bedenken, Ängste etc.) offen gelegt wurde. Und es somit nicht zu zufriedenstellenden Lösungen für beide kommt.
Wenn du oder dein Gesprächspartner bemerken, dass die Gemüter sich zu stark erhitzen, so ist eine Auszeit von mindestens 15 Minuten sinnvoll.
Evolutionsbiologisch sind wir Menschen in Stresssituationen mit Adrenalin durchflutet, um uns auf Kampf oder Flucht vorzubereiten. Früher war es in solchen Situationen wichtiger, dass deine Muskeln gut durchblutet wurden.
Egal für wie klug und besonnen du dich hältst: Dein Gehirn wird in Stresssituationen nicht mehr in der Lage sein, konstruktiv zu arbeiten. Daher ist eine kurze, räumliche Trennung das Beste. Bevor im Streitgespräch etwas passiert, was im Nachhinein bereut wird.
Erhitzen sich die Gemüter, so macht eine Pause und geht euch aus den Augen! Nach ca. 15 Minuten hat sich euer Adrenalinspiegel normalisiert.
Triff in deiner Beziehung generell die Absprache, dass jeder von euch das Recht hat, diese Auszeit einzufordern. Einigt euch darauf, dass wenn einer von euch diesen „Joker” zieht, das auch ausgeführt wird. Ausnahmslos und ohne Diskussion.
Beharrt einer von euch darauf, „nicht davonzulaufen” oder „nur noch diesen Punkt zu Ende zu besprechen”, so seid ihr schneller in einem destruktiven Gerangel, als ihr gucken könnt. Nehmt den Wunsch nach einer kurzen Auszeit also ernst!
Glaub mir, es ist besser, 15 Minuten „runterzukommen”, als sich tagelang wegen eines heftigen Streites traurig, verärgert oder schuldig zu fühlen.
Wie oben bereits erwähnt, stauen sich Groll und Verletzungen manchmal auf, weil bestimmte Themen nie behandelt werden.
Es gibt auch den entgegengesetzten Fall, wo einer ein strittiges Thema anspricht, aber zu einem denkbar schlechten Zeitpunkt. Beispielsweise kurz bevor einer von beiden sich zur Arbeit aufmachen muss. Dass hier kein geeigneter Zeitrahmen für ein konstruktives Streitgespräch gegeben ist, ist offensichtlich.
Was auf den ersten Blick vielleicht merkwürdig anmutet, hat bereits viele Beziehungen entlastet: Feste Zeiten, zu denen strittige Themen besprochen werden.
Vielleicht fragst du dich gerade, warum du Streit „planen” solltest. Wie weiter oben bereits erklärt, meine ich mit „Streit” einfach eine Aussprache. Diese muss weder emotional aufgeladen, noch verletzend sein. Wenn ihr also Themen in euer Beziehung habt, die Klärung bedürfen, so solltet ihr euch auch die Zeit dafür nehmen!
Nochmal: Probleme werden nicht kleiner, indem diese ignoriert werden.
Ebenfalls wird es dir leichter fallen, bestimmte Dinge ein paar Tage aufzuschieben, wenn du weißt, dass bspw. am Donnerstag darüber gesprochen wird. Auch kannst du dich dann mithilfe des „Kommunikationsquadrates” effektiv auf das Gespräch vorbereiten.
In diesem Kontext ist ebenfalls erwähnenswert, dass es gut ist, eine gewisse Lösungslosigkeit aushalten zu können. Grundsätzlich solltest du, wie weiter oben beschrieben, lösungsorientiert vorgehen. Es muss jedoch nicht immer sofort ein Ergebnis gefunden werden.
Wichtiger ist, die Beziehung nicht zu gefährden und nicht mit Groll und Bauchschmerzen ins Bett zu gehen. Ihr könnt euch also auch ab und an darauf einigen, dass ihr euch uneinig seid und einfach mal eine Nacht darüber schlafen.
Nach ein wenig Bedenkzeit und dem Abkühlen von Emotionen sieht die Welt oftmals bereits anders aus.
Manchmal fällt es schwer, Dinge im Eifer des Gefechtes richtig zu formulieren. In solchen Fällen ist es gut, wenn du deine Botschaften in Ruhe durchdenken kannst.
Schreib beispielsweise einen Brief mit deinen Gedanken und Empfindungen. Oder etwas moderner: Pack deine Gedanken in eine längere SMS oder WhatsApp Nachricht. So kannst du an der treffenden Formulierung feilen und prüfen, ob das Geschriebene auch das ausdrückt, was du sagen willst.
Bedenke jedoch, dass es bei Textnachrichten keine nonverbalen Signale wie Gesichtsausdruck, Totalität etc. zu sehen und zu hören gibt. Prüf deshalb kritisch deinen Text darauf, dass dieser auch so rüberkommt, wie du es meinst! Auf Ironie solltest du beispielsweise verzichten!
Teste dein Geschriebenes: Stell dir vor, du würdest genau diesen Brief bekommen. Wie würdest du dich fühlen? Was würdest du darüber denken?
Mittlerweile kannst du sogar eine künstliche Intelligenz wie ChatGPT als Sparringspartner nutzen, deinen Text dort hineinkopieren und diesen von der KI wertschätzender schreiben lassen.
Erst, wenn dich dein eigener Brief nicht verletzt, frei von Zuschreibungen ist („ständig machst du”) und du damit das bestehende Zerwürfnis nicht weiter anfeuerst, dann kannst du diesen absenden.
Du weißt nun einiges über faire Streitgespräche. Also lasst uns streiten! Auf konstruktive Art und Weise.
Hast du mehrere Problemthemen in deiner Beziehung, so ist es zielführender, jeweils über eine Sache zu streiten. Sonst ist die Gefahr der Themenvermischung und Reizüberflutung sehr groß. Kläre einen offenen Punkt, bevor du dich an den nächsten machst!
Dasselbe gilt für das Umsetzen von getroffenen Vereinbarungen. Verhaltensänderungen benötigen Zeit und Aufwand. Macht besser eine Sache richtig als fünf halbherzig! Wie sagt man so schön: Rom wurde auch nicht an einem Tag gebaut.
Wenn du diese Tipps für konstruktive Streitgespräche beherzigst, ist es viel wahrscheinlicher, dass du auch schwierige Themen in deiner Partnerschaft bearbeiten kannst. Und sowohl du als auch dein Gegenüber bekommen eher das, was ihr euch wirklich wünscht.
Es ist also nichts Schlechtes daran, ab und an mal zu streiten. Sondern im Gegenteil, sogar sehr viel Gutes. In glücklichen Beziehungen heißt es miteinander streiten. Und nicht gegeneinander!
Denn der tiefere Sinn eines Streites ist immer der Kontakt und Intimität, also eine echte Begegnung auf Augenhöhe.
Auch wenn dieser Artikel hauptsächlich für romantische Paarbeziehungen geschrieben ist, weil diese für gewöhnlich die größte emotionale Ladung haben, gilt das hier Geschriebene natürlich für alle zwischenmenschlichen Beziehungen. Selbst an deinem Arbeitsplatz kannst du von diesen Tipps profitieren und auch berufliche Streitgespräche richtig führen.
Solltest du trotz all deiner Bemühungen deine Konflikte nicht gelöst bekommen, ergibt evtl. eine Paartherapie oder ein Coaching Sinn für dich. Dies ist sozusagen noch der vorletzte Schritt, bevor du dich aus einer möglicherweise noch zu rettenden Beziehung lösen solltest. Auch zum Loslassen Lernen findest du hier einen Blogbeitrag.
Wenn dir dieser Beitrag zum Thema richtig Streiten / konstruktive Streitgespräche richtig führen gefallen hat, so schreib dich gerne in meinen Coaching Newsletter ein, um keinen weiteren Blogbeitrag mehr zu verpassen!