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Ekstatische Zustände erleben: Hedonismus bewusst nutzen und daran wachsen

Die Suche nach Ekstase und außergewöhnlichen Bewusstseinszuständen ist so alt wie die Menschheit selbst. Wir alle sehnen uns nach intensiven Erlebnissen, die uns aus der Norm herausreißen und uns das Gefühl geben, wirklich lebendig zu sein. Als Psychologe und Coach beobachte ich, wie viele Menschen versuchen, aus der Enge ihrer gewohnten Identität auszubrechen und etwas Größeres zu erleben. Im Folgenden erfährst du, wie du ekstatische Zustände bewusst und sicher nutzen kannst.

„Wenn wir uns aus der Enge unserer normalen Identität befreien, können wir das Leben und die sich oft wiederholenden Geschichten, die wir darüber erzählen, mit neuen Augen sehen. Am Montagmorgen mögen wir immer noch in unsere alltäglichen Rollen schlüpfen – Eltern, Ehepartner, Angestellte, Chefs, Nachbarn –, aber bis dahin wissen wir, dass es nur Kostüme mit Reißverschlüssen sind.“ — Steven Kotler in „Stealing Fire“

In diesem Blogbeitrag erfährst du, warum ekstatische Zustände so mächtig sind, wie sie funktionieren und wie du sie sinnvoll, sicher und nachhaltig in dein Leben integrieren kannst.

Was ist „Stealing Fire“ und warum ist es relevant?

Das Buch „Stealing Fire“ von Steven Kotler hinterfragt herkömmliche Vorstellungen von Erfolg. Der Autor zeigt, dass außergewöhnliche Bewusstseinszustände entscheidende Durchbrüche ermöglichen – sei es in der Kreativität, Produktivität oder Selbsterkenntnis. Es geht dabei nicht nur um Disziplin und harte Arbeit, sondern um die gezielte Nutzung ekstatischer Erfahrungen für persönliches und berufliches Wachstum.

Es gibt verschiedene Methoden, um in solche Zustände zu gelangen, darunter:

  • Meditation
  • Tanz
  • Sport
  • Sex
  • Atemtechniken (Breathwork)
  • Psychoaktive Substanzen
  • Extremsport & riskante Unternehmungen
  • Gemeinschaftserlebnisse wie Konzerte oder Festivals

Die vier Kräfte der Ekstase – Psychologie, Neurobiologie, Pharmakologie und Technologie (z. B. Musik, Licht, Vibrationen) – spielen hierbei eine Schlüsselrolle.

Wie ekstatische Zustände das Gehirn beeinflussen

Ekstatische Erfahrungen aktivieren bestimmte neuronale Bahnen im Gehirn und setzen eine Flut an Neurotransmittern frei, darunter:

  • Dopamin (Belohnung & Motivation)
  • Serotonin (Glück & Wohlbefinden)
  • Oxytocin (Verbindung & Vertrauen)
  • Endorphine (Schmerzunterdrückung & Euphorie)
  • Anandamid (Entspannung & Kreativität)

Diese chemischen Prozesse verstärken das Gefühl von Selbstvergessenheit, Zeitlosigkeit, Mühelosigkeit und Verbundenheit. Sie ermöglichen tiefere Einsichten, fördern kreatives Denken und können sogar therapeutisch wirken.

Während ekstatischer bzw. psychedelischer Zustände sind die Sicherheitsvorkehrungen unseres Egos derart vermindert, dass wir einen nahezu direkten Zugang zum Unterbewusstsein und unserer Intuition bekommen. Solche Erfahrungen können viel in Bewegung setzen und tiefsitzende Emotionen lösen, wie du in meinem Blogbeitrag zur kathartischen Wirkung nachlesen kannst.

Warum wir Ekstase suchen – und was sie uns gibt

Wir alle sehnen uns nach intensiven Erfahrungen, die uns aus der Norm herausreißen und die uns das Gefühl geben, lebendig zu sein. Ob beim Sex, in der Meditation, durch psychoaktive Substanzen oder durch risikobehaftete Unternehmungen, jeder dieser Zustände aktiviert das Belohnungssystem in unserem Gehirn und gibt uns das Gefühl, Teil von etwas Größerem zu sein.

Diese Momente der Ekstase schenken uns eine tiefere Verbundenheit – sowohl mit uns selbst als auch mit anderen Menschen. Das Erlebnis der Selbstvergessenheit, Zeitlosigkeit, Mühelosigkeit und Vielfalt außergewöhnlicher Bewusstseinszustände kann Lernen beschleunigen, Heilung erleichtern und spürbare Auswirkungen auf unser Leben und unsere Arbeit haben.

Insbesondere treten dabei folgende vier Phänomene auf:

 

Selbstlosigkeit

In diesen besonderen Zuständen schalten wir das „Selbst“ aus, das unsere inneren Stimmen und negativen Gedanken enthält. Wir können kollektiv erfahren, was es bedeutet, mit anderen verbunden zu sein und unser eigenes Ego zu vergessen. Diese Selbstvergessenheit ist ein zentrales Element der Ekstase und ermöglicht es uns, tiefe spirituelle und emotionale Einsichten zu gewinnen.

 

Zeitlosigkeit

Wenn du dich in einem Zustand der Ekstase befindest, verlierst du oft das Gefühl für Zeit. Du bist ganz im Moment, und der Druck der „Zukunft“ oder der „Vergangenheit“ spielt keine Rolle mehr. Du erlebst das Jetzt in seiner vollen Intensität und Bedeutung.

 

Mühelosigkeit

Ein weiteres charakteristisches Merkmal dieser Zustände ist die Mühelosigkeit. Dinge passieren scheinbar von selbst und mit minimalem Aufwand. Diese Erfahrung wird oft als „Flow“ bezeichnet – ein Zustand, in dem wir unsere höchste Leistung erreichen, ohne uns angestrengt zu fühlen.

 

Verbundenheit und Vielfalt

Durch das Ausschalten des Egos können wir die Vielfalt der menschlichen Erfahrung auf eine tiefere Weise erleben. Unsere Wahrnehmung wird reicher, und wir können Informationen schneller und auf eine Weise verarbeiten, die unser tägliches Leben bereichert. Die Vielfalt des Lebens wird deutlich, wenn wir uns für neue Perspektiven und Erfahrungen öffnen. Denn wenn wir unserem Unterbewusstsein erlauben, die Führung zu übernehmen, wird unsere Datenverarbeitung schneller und die Erfahrung reicher.

Doch ekstatische Zustände bergen auch Gefahren. Die Suche nach Ekstase kann süchtig machen, wenn sie zur Flucht aus dem Alltag wird.

Die vier Grundregeln für den bewussten Umgang mit Ekstase

Steven Kotler warnt davor, sich in ekstatischen Erfahrungen zu verlieren. Diese vier Prinzipien helfen, Balance zu bewahren:

1. Es geht nicht um die Erfahrung an sich

Die Erfahrung selbst ist oft eine der Selbstvergessenheit. Du solltest dir bewusst sein, dass es nicht um den Zustand der Ekstase geht, sondern darum, das Erlebnis in dein tägliches Leben zu integrieren. Anstatt also immer wieder dem Rausch nachzulaufen, stelle dir die Frage, was du mit dieser Erfahrung machst bzw. was du durch diese in deinem alltäglichen Leben veränderst.

Ebenso gefährlich kann der sogenannte „Messiaskomplex“ werden: Wenn du dich in einem ekstatischen Zustand befindest, solltest du ihn schätzen, aber niemals den Fehler machen, zu glauben, du wärst durch das Erlebte nun auf irgendeine Weise „außergewöhnlich“ oder „erleuchtet“, während andere das nicht erfahren.

„Alle Interpretationen und Erfahrungen der Unendlichkeit sind persönlich, provisorisch und unvollständig, sodass niemand behaupten kann, seine spezielle Version des Göttlichen sei die einzig richtige – wenn es doch viele Tausend andere Versionen gibt.“ — Steven Kotler in „Stealing Fire“

2. Es geht nicht nur um das Jetzt

Die Veränderungen, die du durch diese Zustände erlebst, kommen oft nicht sofort. Der wahre Wert der Ekstase zeigt sich langfristig.

„Wir überschätzen die Veränderungen in den nächsten zwei Jahren, aber unterschätzen jene der nächsten zehn Jahre.“Bill Gates

Es geht darum, die Erkenntnisse aus diesen Erfahrungen zu nutzen, um dein Leben langfristig zu transformieren.

3. Werde kein Glücksjunkie

Es ist leicht, sich von den intensiven Emotionen und Neurotransmittern berauschen zu lassen, die solche Erfahrungen begleiten. Wenn man erst mal die schwebende Mühelosigkeit der Ekstase gekostet hat, kann es sein, dass man beschließt, dass das Leben immer ein Zustand ewiger Leichtigkeit sein sollte.

Aber es ist wichtig, nicht ständig nach diesem Zustand zu suchen. Ekstatische Erlebnisse sind wie Gipfelerlebnisse – sie sind wertvoll, aber nicht nachhaltig, wenn man sie immer wieder anstrebt. Ich kenne beispielsweise Menschen, die bereits über hunderte heroische psychedelische Erfahrungen gemacht haben. Und ich stelle mir dabei die Frage, wie nachhaltig die Integration dieser Erfahrungen gelungen ist, wenn ich ständig nach einem neuen Erlebnis suche.

Erst im Kontrast zum „Gewöhnlichen“ erhalten singuläre Gipfelerlebnisse ihre Besonderheit.

4. Tauche nicht zu tief

Die Gefahr bei der Suche nach ekstatischen Erfahrungen liegt darin, zu tief einzutauchen und zu vergessen, was du im „normalen“ Zustand des Bewusstseins gelernt hast. Es geht nicht darum, alles zu finden, sondern auch darum, sicher und gesund zu bleiben und das Erlebte mit einer soliden Basis zurückzubringen.

„Die Menschen, die sich in Gipfelerlebnissen verlieren, sind jene, die sich noch nie gefunden haben!“ — Steven Kotler in „Stealing Fire“

Daher ist es wichtig, ein stabiles Selbstbild zu haben, bevor du dich solchen Erfahrungen öffnest und ebenso, einige Sicherheitsvorkehrungen zu beachten.

Praktische Tipps für die Integration von ekstatischen Erfahrungen in dein Leben

Die Suche nach hedonistischen und ekstatischen Erfahrungen muss nicht isoliert von deinem Alltag stattfinden. Du kannst diese intensiven Zustände nutzen, um dein Leben zu bereichern, ohne die Balance zu verlieren. Hier sind einige praktische Tipps, um derartigen Erfahrungen sinnvoll zu integrieren:

1. Achte auf dein körperliches Wohlbefinden

Für ekstatische Erfahrungen ist es wichtig, dass dein Körper in einem guten Zustand ist. Sorge für ausreichend Bewegung, gesunde Ernährung, Sonnenlichtexposition und genügend Schlaf. Körperliches Wohlbefinden ist der Schlüssel, um tiefere Bewusstseinszustände nachhaltig zu erleben.

2. Nutze Meditation und Achtsamkeit

Meditation ist ein hervorragendes Werkzeug, um deine Achtsamkeit zu schärfen und in tiefere Bewusstseinszustände einzutauchen. Durch regelmäßige Meditation kannst du lernen, den Moment zu erleben und gleichzeitig die Weisheit zu entwickeln, deine Erfahrungen bewusst zu integrieren.

3. Experimentiere mit bewusstem Risikoverhalten

Risikobereitschaft und die Bereitschaft, aus der Komfortzone herauszutreten, fördern die Freisetzung von Neurotransmittern, die für ekstatische Zustände verantwortlich sind. Überlege dir, welche „kontrollierten“ Risiken du eingehen könntest – sei es beim Reisen, bei der Arbeit oder beim Sport.

4. Kreiere gemeinschaftliche Erfahrungen

Ekstase ist oft stärker, wenn sie in einer Gruppe erlebt wird. Gemeinsame Erlebnisse, bei denen sich die Menschen verbunden fühlen und ein kollektives Bewusstsein erfahren, sind tiefgreifender und nachhaltiger. Organisiere Aktivitäten, die den Zusammenhalt und die Verbindung zu anderen fördern.

5. Achte auf ein sicheres Umfeld

Solltest du beispielsweise psychedelische Erfahrungen anstreben, so achte unbedingt auf das Prinzip von „Substance, Set & Setting“. Dies bedeutet, dass sowohl die Substanz, die du einnimmst, als auch dein mentaler Zustand (Set) und die Umgebung (Setting), in der du die Erfahrung machst, entscheidend für den Verlauf, die Sicherheit und die Intensität des Erlebnisses sind.

Substance:

  • Kennst du dich mit der Substanz aus und weißt, welche potenziellen Wirkungen und Nebenwirkungen existieren?
  • Beziehst du diese aus einer verlässlichen bzw. vertrauenswürdigen Quelle?
  • Kennst du den Reinheitsgrad?
  • Hast du Kenntnis über die korrekte Dosierung?

Es ist entscheidend, dich mit diesen Fragen auseinanderzusetzen, um keinen „Bad Trip“ zu riskieren oder sogar deine Gesundheit!

(Mind)Set:

Beantworte für dich ehrlich die folgenden Fragen:

  • Bist du körperlich und mental bereit, eine evtl. auch herausfordernde Reise anzutreten?
  • Kennst du die Kontraindikatoren und wurdest du gewissenhaft gescreent?
  • Operierst du aus einem Mindset der Fülle und Neugierde, oder aus einem Mangelgefühl heraus und willst vor etwas davonlaufen?
  • Was ist deine Intention? Warum willst du es überhaupt machen? Was erhoffst du dir davon?

Setting:

Achte darauf, dass du dich in einem sicheren, unterstützenden und vertrauensvollen Umfeld befindest, in dem du dich wohl und geschützt fühlst. Eine vertrauensvolle Begleitung kann ebenfalls hilfreich sein, um die Erfahrung zu stabilisieren und den positiven Nutzen zu maximieren. Auch kann ein erfahrener Begleiter eingreifen, wenn es herausfordernd wird.

Beachte, dass in allen Kulturen immer (!) ein erfahrener Schamane anwesend ist, der den Raum hält!

Setze dich mit den Risiken auseinander und sei dir bewusst, dass solche Zustände tiefgreifende Veränderungen in deiner Wahrnehmung und deinem Bewusstsein hervorrufen können. Ein sicheres Umfeld schützt nicht nur deine körperliche, sondern auch deine psychische Gesundheit.

Fazit zu ekstatischen Erfahrungen und hedonistischen Zuständen

Die Suche nach hedonistischen Zuständen und Ekstase ist tief in uns verwurzelt, und es gibt zahlreiche Methoden, diesen Zustand zu erreichen. Aber es ist wichtig, die Balance zu wahren und diese Gipfelerlebnisse nicht zu einer Sucht oder einer ständigen Flucht aus der Realität werden zu lassen.

Wenn du verstehst, wie du diese außergewöhnlichen Zustände sicher in dein Leben integrierst, kannst du nicht nur interessante Erfahrungen machen, sondern auch dein persönliches Wachstum beschleunigen, dein Wohlbefinden steigern und dich zu einem erfüllteren Leben entwickeln.

„Es besteht ansonsten das Risiko, ein spießiges Leben stummer Verzweiflung zu leben und nach einer langweiligen Lebensweise zu sterben, ohne ein einziges Mal das gekostet zu haben, wofür andere Menschen bereit sind zu sterben (denke nur mal an Extremsport).“ — Steven Kotler in „Stealing Fire“