Bedürfnisse kommunizieren: Lerne, deine Bedürfnisse richtig zu äußern
Eigene Bedürfnisse kommunizieren, sodass diese richtig verstanden werden, ist in der Tat nicht ganz einfach. Dabei liegt der Schlüssel in einer empfängergerechten Kommunikation. Dies bedeutet: deine Bedürfnisse so mitteilen, dass sie bei deinem Gesprächspartner so ankommen, wie du es gemeint hast.
Deine Bedürfnisse richtig mitzuteilen hat zum Ziel, Missverständnisse in der zwischenmenschlichen Kommunikation zu vermeiden – obwohl sich diese vermutlich nie restlos beheben lassen werden.
Eigene Bedürfnisse erkennen als Grundvoraussetzung, diese richtig äußern zu können
Es gibt unzählige Modelle menschlicher Bedürfnisse, auf welche ich hier im Detail nicht eingehen möchte, um den Rahmen nicht zu sprengen. Die bei den Modellen verwendeten Paletten reichen dabei von physiologischen Bedürfnissen wie Hunger und Durst bis hin zu psychologischen Bedürfnissen wie persönliches Leistungsstreben. Am bekanntesten ist dabei das Bedürfnismodell des amerikanischen Psychologen Abraham Maslow:
Aber darüber hinaus gibt es die unterschiedlichsten Bedürfnisse, wie beispielsweise das Bedürfnis nach
Sicherheit
Ruhe
Bewegung
Gemeinschaft
Entspannung
Freundschaft
Struktur
Ordnung
Liebe
Einfachheit
Harmonie
Sinn
Entwicklung
und viele weitere.
Mit dieser kleinen Aufzählung will ich lediglich darauf aufmerksam machen, dass vieles ein Bedürfnis darstellen kann. Diese Vielfalt lässt sich mit einem einzigen Modell natürlich nicht vollständig abbilden.
Auch wird durch die obige Aufzählung deutlich, dass Bedürfnisse teilweise etwas abstrakt und nicht unbedingt offensichtlich sind. Warum Menschen sich so verhalten, wie sie sich verhalten, kann man oft nur erahnen.
Damit wir aber aus den Hypothesen rauskommen, lass uns darauf schauen, wie man seine Bedürfnisse verständlich mitteilen kann.
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Bedürfnisse kommunizieren: Das Eisbergmodell
Bevor wir darauf schauen, wie du deine Bedürfnisse formulieren kannst, will ich dir ein anschlauliches Modell der Kommunikation vorstellen. Denn Bedürfnisse liegen meistens verborgen unter der Oberfläche. Genau aus diesem Grund sprechen Psychologen auch oft von Eisbergmodellen. Weil tiefer liegendes, wie bei einem Eisberg, nicht sichtbar ist.
Um Kommunikation im Allgemeinen besser zu verstehen und Bedürfnisse äußern zu können, vor allem wenn es mal nicht rund läuft, eignet sich das Bild des doppelten Eisbergs hervorragend:
Jeder Eisberg steht dabei für einen Interaktionspartner mit all seinen Merkmalen und Eigenschaften. Um es noch einfacher zu formulieren: Du bist der blaue Eisberg und dein Gesprächspartner der orange.
„Über der Wasseroberfläche“
Die Teile über der Wasseroberfläche symbolisieren sichtbares Verhalten und offen vertretene Positionen.
Hier überschneiden sich die Eisberge kaum. Denn insbesondere im Konfliktfall vertritt jeder seine Meinung und ist nicht wirklich zu Zugeständnissen bereit. Es gibt hier keine Gemeinsamkeiten bzw. Kompromiss-Spielräume. Der Konflikt ist ja bereits entbrannt und die Positionen meist verhärtet.
„Unter der Wasseroberfläche“
Unter der Wasseroberfläche sieht das Ganze jedoch anders aus. Hier lassen sich die Hintergründe der Meinungsverschiedenheit finden. Es gibt zwar auch hier Trennendes, also Bedürfnisse und Ansichten, die dich und deinen Gesprächspartner unterscheiden, jedoch auch eine große Schnittmenge. In dieser Schnittmenge der beiden Eisberge liegen die Gemeinsamkeiten. Diese können beispielsweise gemeinsame Bedürfnisse, Gefühle, Wertvorstellungen, Ängste etc. sein.
Gelingt es dir, deine Bedürfnisse mitteilen zu können und die Gemeinsamkeiten unter der Oberfläche herauszuarbeiten, bist du der Lösung des Konfliktes einen großen Schritt näher gekommen.
Bedürfnisse richtig formulieren und damit die Kommunikation verbessern
Die Beweggründe des Verhaltens deines Gesprächspartners liegen meistens also vorerst im Verborgenen. Um diese besser zu verstehen, tust du gut daran, deine eigenen Bedürfnisse richtig zu kommunizieren und deine Wünsche zu äußern.
Wenn du den ersten Schritt machst und deine Sichtweise richtig kommunizierst, d. h. deinem Gegenüber die Hintergründe und wichtigsten Bedürfnisse deiner Position erklärst, wird dein Gesprächspartner es dir im Normalfall gleichtun. So kannst du erkennen, an welchen Stellen Potenziale für eine Lösung oder einen Kompromiss existieren.
Um Bedürfnisse nachvollziehbar äußern zu können, hat sich die „gewaltfreie Kommunikation“ von Marshall B. Rosenberg etabliert. Den Prozess, sich mitzuteilen, hat Rosenberg in vier Komponenten zerlegt (hier findest du das extrem lesenswerte Buch dazu. Und falls du nicht gerne liest, dann hole dir das Hörbuch, beispielsweise indem du dir ein 30 Tage langes, kostenloses Probeabo bei Amazon Audible erstellst):
Beobachtungen beschreiben
Gefühle mitteilen
Bedürfnisse kommunizieren
Bitten / Wunsch äußern
1) Beobachtungen
Als ersten Schritt für eine gelungene Kommunikation gibst du objektiv wieder, was in einer bestimmten Situation tatsächlich geschehen ist:
Was genau ist vorgefallen?
Welches konkrete Verhalten konntest du beobachten?
Was wurde gesagt?
Was wurde gemacht?
Es gilt hier, komplett sachlich zu bleiben! Wirklich komplett objektiv eine Situation zu beschreiben, kann dabei mitunter nicht so leicht sein:
„Du hast dich abweisend verhalten, weil du emotional kalt bist!“
ist beispielsweise nicht sachlich. Sondern eine Wertung und eine Interpretation.
Versuche, komplett auf Erklärungen zu verzichten. Schildere stattdessen einfach nur die tatsächlichen Fakten der Situation:
„Als wir gestern über unser Urlaubsziel gesprochen haben, hast du zuerst deine Arme verschränkt und bist dann wortlos aus dem Zimmer gegangen.“
Das würde beispielsweise auch ein dritter, unbeteiligter Beobachter so wahrnehmen, der die Szene zufällig mitbeobachtet hat. Lass also jegliche Interpretation, Beurteilung und Bewertung weg! Insbesondere die Verwendung von bestimmten Adjektiven verwässert die Sachlichkeit: Denn was „viel“, „wenig“, „ungerecht“ oder „unangemessen“ ist, liegt im Auge des Betrachters.
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2) Gefühle
Nachdem du die Situation objektiv (!) geschildert hast, kannst du mitteilen, was die beschriebene Situation in dir ausgelöst hat. Höre auf dein Inneres und nehme wahr, was dort geschieht. Teile es dann so offen und ehrlich wie nur möglich mit!
Beispielsweise:
„Als du die Arme verschränkt hast, kam mir das so vor, als blockst du mich ab. Das hat mich verunsichert und verärgert. Als du dann herausgegangen bist, war ich irritiert und traurig."
Der Zugang zu eigenen Gefühlen fällt vielen Menschen erfahrungsgemäß schwer. Wenn du hier noch etwas Nachhilfe brauchst, so lies dir auch den Blogbeitrag zum Mitteilen von Gefühlen durch.
3) Bedürfnisse mitteilen
In diesem Schritt sagst du, welche deiner Bedürfnisse hinter deinen Gefühlen stehen. Denn Gefühle und Bedürfnisse sind eng verwoben: Fühlst du dich „gut“, so liegt es daran, dass deine Bedürfnisse erfüllt sind in diesem Moment. Fühlst du dich „schlecht“ (traurig, enttäuscht, verärgert, frustriert etc.), so ist ziemlich sicher eines oder mehrere deiner Bedürfnisse verletzt.
Zugegebenermaßen ist es nicht immer einfach, die eigenen Gefühle richtig zu benennen und einzuordnen. Die dahinter liegenden Bedürfnisse richtig zu erkennen ist teilweise sogar noch etwas schwieriger.
Hör genau hin und versuche zu verstehen, was dir wichtig ist. Und was die Gründe für deine Gefühle und dein Verhalten sind. Welches deiner Bedürfnisse blieb unerfüllt? Entschleunigung ist hier der Schlüssel!
In der Beispielsituation könnten deine Bedürfnisse z. B. folgendermaßen lauten:
„Mir liegt viel daran, dass du mich verstehst und meine Meinung respektierst. Mir ist ebenfalls wichtig, dass ich mich dir mitteilen kann. Und die Situation trotzdem entspannt bleibt, auch wenn wir mal nicht einer Meinung sind.“
Hier kommunizierst du also dein Bedürfnis, verstanden zu werden. Und auch deine Bedürfnisse nach Akzeptanz, Austausch und Harmonie.
An deine Bedürfnisse kommst du durch Fragen wie „Was hätte ich in der Situation gebraucht?“ oder „Was ist mir wichtig?“
Natürlich reicht es, wenn du vorerst auch nur ein (!) Bedürfnis kommunizierst. Wie z. B. das Bedürfnis nach einem offenen Austausch.
Eigene Bedürfnisse mitteilen führt dazu, dass dein Gegenüber nun weniger Interpretationsspielraum hat. Weil jetzt nachvollziehbar ist, was die Auslöser für deine Gefühle und Verhaltensweisen sind.
4) Bitten
Abschließend kommt in dem Modell der „gewaltfreien Kommunikation“ noch dein Appell: Was wünschst du dir in Zukunft von deinem Gegenüber? Was kann sie bzw. er konkret tun oder lassen, um bei der Erfüllung deiner Bedürfnisse mitzuhelfen?
„Beim nächsten Mal fände ich es schön, wenn du dir meine Ausführung bis zum Schluss anhörst. Und die Situation trotzdem entspannt bleibt, auch, wenn wir mal nicht einer Meinung sind.“
Bedürfnisse äußern: Warum die gewaltfreie Kommunikation dabei so wirkungsvoll ist
Drückst du dich derart klar aus, versteht dein Gegenüber deine Beweggründe und deine (nicht erfüllten) Bedürfnisse viel besser.
Ein netter Nebeneffekt ist, dass ein derart vorgebrachter Wunsch nicht auf technischen Widerstand trifft. Denn
Im ersten Punkt schilderst du objektive Fakten und Beobachtungen. Welche – wenn du nicht gerade eine Verzerrung in deiner Wahrnehmung hast – nicht widerlegbar sind. Du machst ja keine Vorwürfe und bleibst sachlich. Du stellst wahrheitsgemäß dar, was passiert ist bzw. was du beobachtet hast.
Im zweiten und dritten Punkt schilderst du deine subjektive Realität, welche auch nicht angreifbar ist. So hast du dich nun mal gefühlt und das sind nun mal deine Bedürfnisse. Das ist gut und richtig so und ein Teil von dir! Auch dagegen ist es schwer, Gegenargumente anzubringen.
Im vierten Teil äußerst du lediglich einen Wunsch: Dein offen gelegtes Innenleben sollte dazu führen, dass dein Gegenüber die Beweggründe deiner Bitte und somit auch deine Bitte selbst besser nachvollziehen kann.
Damit verbesserst du deine Kommunikation nachhaltig, weil du dich klarer mitteilst und insbesondere deine Bedürfnisse kommunizierst.
Die oben besprochene Objektivität, Vorwurfsfreiheit und das Senden von Ich-Botschaften („Ich fühle mich ...“, „Ich brauche ...“, „Mir ist wichtig, dass ...“) ist auch der Grund, warum das Modell „gewaltfreie“ Kommunikation heißt: Du bist in deinen Äußerungen bei dir und verletzt insbesondere den anderen nicht durch Anschuldigungen oder ähnlichem.
Hier genau liegt die Power der gewaltfreien Kommunikation: Anders als bei normalen (Streit-)Gesprächen bist du eben bei dir und nicht beim anderen („Ständig machst du ....“, „Immer bist du ...“)
Deine Offenheit öffnet deinen Gegenüber
Da du Bedürfnisse kommunizierst und deinem Gesprächspartner einen Einblick in die Hintergründe deiner Sichtweise gegeben hast, wird er/sie vermutlich bemüht sein, auch seine/ihre Sicht der Dinge zu schildern. Inklusive der Gefühle und Bedürfnisse sowie einer Bitte an dich.
Durch diesen Kommunikationsfluss könnt ihr herausarbeiten, was ihr beide fühlt und braucht, um so wieder Verständnis und Harmonie in eure zwischenmenschliche Beziehung fließen zu lassen.
Um beim Bild des Eisbergs zu bleiben: Hier begebt ihr euch als Team auf einen Tauchgang und bewegt euch unter der Wasseroberfläche. Ihr erkundet gemeinsam die Welt, die sich dort befindet. Dies schafft Klarheit und führt zu einem ehrlichen Austausch und einer offenen, urteilsfreien Kommunikation.
Um also deine Bedürfnisse richtig kommunizieren zu können, ist es wichtig, in dich hineinzuhören. Was ist es, was du brauchst oder was dir wichtig ist? Dies teilst du dann deinem Gesprächspartner mit. Aber bedenke, du hast natürlich das Recht, Bedürfnisse zu haben und diese zu äußern, aber keinen Anspruch darauf, dass dein Gegenüber dir diese auch erfüllt! Jedoch ist die Wahrscheinlichkeit größer, wenn dein Gesprächspartner Transparenz zu deinen Hintergründen hat.
Solltest du Unterstützung dabei wünschen, einen besseren Zugang zu dir und deinen Bedürfnissen zu bekommen, um eigene Bedürfnisse besser erkennen zu können und/oder generell deine Außenwirkung und Kommunikation zu verbessern, so ist ein persönliches Coaching der unmittelbare und effiziente Weg dahin.
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Gregor Wojtowicz arbeitet als Unternehmensberater, Führungskräftetrainer und systemischer Business Coach für international tätige Unternehmen als auch mit Einzelunternehmer:innen zusammen sowie als Personal und Life Coach mit Privatpersonen. Er ist Master der Wirtschaftspsychologie (M. Sc.) und Diplom Wirtschaftsmathematiker. Seine Themenschwerpunkte liegen in den Bereichen (Wirtschafts-)Psychologie, Persönlichkeitsentwicklung sowie Führungskräfteentwicklung.
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1 Comment
Danke für diesen Blogbeitrag, ein guter “read”. So weitermachen ; )