Eigene Bedürfnisse überhaupt wahrzunehmen, ist oft nicht einfach. Diese dann auch noch so zu kommunizieren, sodass sie auch richtig verstanden werden, noch schwerer.
Oft spreche ich im Coaching mit Menschen, die sich „nicht richtig verstanden fühlen“. Dass diese Äußerung gar kein richtiges Gefühl beschreibt, darauf komme ich später noch zu sprechen.
In diesem Artikel soll es
Eine empfängergerechte Kommunikation bedeutet, deine Bedürfnisse so mitzuteilen, dass sie bei deinem Gesprächspartner auch so ankommen, wie du es gemeint hast.
Deine Bedürfnisse richtig mitzuteilen hat zum Ziel, Missverständnisse in der zwischenmenschlichen Kommunikation zu vermeiden – obwohl sich diese vermutlich nie restlos beheben lassen werden. Um jedoch dennoch das Potenzial für Missverständnisse zu verringern, zeige ich dir im Folgenden ein extrem hilfreiches Tool, um eigene Bedürfnisse erkennen und angemessen kommunizieren zu können.
Deine eigenen Bedürfnisse wahrzunehmen ist die Grundvoraussetzung dafür, diese richtig äußern zu können. Das Wahrnehmen eigener Bedürfnisse funktioniert in zwei Schritten:
Es gibt unzählige Modelle menschlicher Bedürfnisse, auf welche ich hier im Detail nicht eingehen möchte, um den Rahmen nicht zu sprengen. Die bei den Modellen verwendeten Paletten reichen dabei von physiologischen Bedürfnissen wie Hunger und Durst bis hin zu psychologischen Bedürfnissen wie persönliches Leistungsstreben.
Am bekanntesten ist dabei das Bedürfnismodell des amerikanischen Psychologen Abraham Maslow:
Was die wenigsten Menschen wissen ist, dass Maslow selbst sein 1954 erdachtes Modell 15 Jahre später nochmal selbst verbesserte. Und seine Bedürfnispyramide und die Dimension der Selbsttranszendenz erweiterte.
Selbsttranszendenz bedeutet, eine Sache jenseits des Selbst zu fördern und eine Gemeinschaft jenseits der Grenzen des Selbst durch Gipfelerfahrung zu erfahren. Es geht dabei quasi um mehr, als die eigene Verwirklichung. Sozusagen ist es ein nahezu spirituelles Bedürfnis nach dem großen Ganzen.
Die Einbeziehung der Selbsttranszendenz in Maslows Theorie hilft der Psychologie, ein besseres Verständnis dafür zu entwickeln, wie verschiedene Menschen und Kulturen den Sinn des Lebens interpretieren. Studien zeigen, dass wir durch die Selbsttranszendenz ein umfassenderes und genaueres Verständnis der menschlichen Persönlichkeit und des menschlichen Verhaltens erhalten.
Aber neben den von Maslow genannten gibt es die unterschiedlichsten Bedürfnisse, wie beispielsweise das Bedürfnis nach
Mit dieser kleinen Aufzählung will ich darauf aufmerksam machen, dass vieles ein Bedürfnis darstellen kann. Diese Vielfalt lässt sich mit einem einzigen Modell natürlich nicht vollständig abbilden.
Auch wird durch die obige Aufzählung deutlich, dass Bedürfnisse teilweise etwas abstrakt und nicht unbedingt offensichtlich sind. Warum Menschen sich so verhalten, wie sie sich verhalten, kann man oft nur erahnen. Aber was genau ist ein Bedürfnis eigentlich?
Ein Bedürfnis ist ein Wunsch oder Verlangen nach etwas. Bedürfnisse geben dir also Hinweise darauf, was du (gerade) brauchst. Ein Bedürfnis motiviert zur Handlung.
Daher ist es wichtig, dass du eigene Bedürfnisse erkennen lernst, um zu verstehen, was du gerade brauchst. Um dann danach zu handeln. Denn ein bewusstes Leben im Einklang mit deinen eigenen Bedürfnissen ist ein erfülltes Leben, welches dich glücklicher machen wird.
Dieser Schritt ist eigentlich gar nicht so kompliziert. Alles, was du dafür brauchst, ist ein wenig Zeit und Ruhe. Schaue nach innen und achte auf dich. Nimm dir ein paar Momente Zeit, um zu spüren: „Wie geht es mir gerade?“ oder „Was brauche ich gerade?“
Schwierig wird es eigentlich nur dann, wenn du es nicht gewohnt bist, dir Zeit für die Innenschau und den guten Kontakt zu dir selbst zu nehmen. Es kann dann etwas herausfordernd sein, eigene Bedürfnisse erkennen zu können und diese auch zu benennen.
Jedoch wirst du das mit ein wenig Übung gut hinbekommen. Denn Achtsamkeit lässt sich einüben, einfach dadurch, in dem du dir die oben genannten Fragen regelmäßig selbst stellst.
Auf die Schliche kommst du deinen Bedürfnissen über deine Körpersignale und Emotionen: Spüre rein, wie du dich fühlst!
Empfindest du eine Unzufriedenheit, so kann es sein, dass eine bestimmte Erwartung von dir enttäuscht wurde. Beispielsweise, wenn dein Chef dich nach einer erledigten Aufgabe nicht gelobt hat, kann das dahinterliegende Bedürfnis z.B. Wertschätzung sein.
Oder wenn du beispielsweise ein Stressgefühl hast, dann ist das dahinterliegende Bedürfnis vielleicht Ruhe und Struktur zur Vorbereitung.
Deine Gefühle wahrzunehmen, ist der Schlüssel zu deinen Bedürfnissen!
Wenn du den Eindruck hast, du bist nicht gut darin, eigene Bedürfnisse zu erkennen, dann möchte ich dir einen positiven Ausblick geben: Ich habe schon sehr viele Menschen im Coaching dabei begleiten dürfen, die das am Anfang auch geglaubt haben. Aber mit ein wenig Übung wurden diese richtig gut darin, eigene Bedürfnisse zu erkennen und zu verstehen, warum es zu bestimmten Emotionen kam. Bleib einfach etwas dran und dir wird es auch gelingen!
Was auch helfen kann, ist ein generelles Verständnis deiner Selbst. Du kannst beispielsweise hier klicken, um meinen kostenlosen online Motivationstest zu machen und herauszufinden, was dich motiviert! Oder natürlich auch andere Reflexionsquellen nutzen, um dich besser kennenzulernen.
Wenn du verstanden hast, wie du „tickst“ bzw. was du brauchst, also was genau deine Bedürfnisse sind, kannst du üben, wie du deine Bedürfnisse verständlich mitteilen kannst.
Bevor wir darauf schauen, wie du deine Bedürfnisse formulieren kannst, will ich dir ein anschauliches Modell der Kommunikationspsychologie vorstellen. Denn Bedürfnisse liegen meistens verborgen unter der Oberfläche. Genau aus diesem Grund sprechen Psychologen auch oft von Eisbergmodellen. Weil tiefer liegendes, wie bei einem Eisberg, nicht sichtbar ist.
Um Kommunikation im Allgemeinen besser zu verstehen und Bedürfnisse äußern zu können, vor allem wenn es mal nicht rund läuft, eignet sich das Bild des doppelten Eisbergs hervorragend:
Jeder Eisberg steht dabei für einen Interaktionspartner mit all seinen Merkmalen und Eigenschaften. Um es noch einfacher zu formulieren: Du bist der blaue Eisberg und dein Gesprächspartner der orange.
Die Teile über der Wasseroberfläche symbolisieren sichtbares Verhalten und offen vertretene Positionen.
Hier überschneiden sich die Eisberge kaum. Denn insbesondere im Konfliktfall vertritt jeder seine Meinung und ist nicht wirklich zu Zugeständnissen bereit. Es gibt hier keine Gemeinsamkeiten bzw. Kompromiss-Spielräume. Der Konflikt ist ja bereits entbrannt und die Positionen meist verhärtet.
Unter der Wasseroberfläche sieht das Ganze jedoch anders aus. Hier lassen sich die Hintergründe der Meinungsverschiedenheit finden. Es gibt zwar auch hier Trennendes, also Bedürfnisse und Ansichten, die dich und deinen Gesprächspartner unterscheiden, jedoch auch eine große Schnittmenge. In dieser Schnittmenge der beiden Eisberge liegen die Gemeinsamkeiten. Diese können beispielsweise gemeinsame Bedürfnisse, Gefühle, Wertvorstellungen, Ängste etc. sein.
Gelingt es dir, deine Bedürfnisse identifizieren zu können und die Gemeinsamkeiten unter der Oberfläche herauszuarbeiten, bist du der Lösung des Konfliktes einen großen Schritt näher gekommen.
Die Beweggründe des Verhaltens deines Gesprächspartners liegen meistens also vorerst im Verborgenen. Um diese besser zu verstehen, tust du gut daran, deine eigenen Bedürfnisse richtig zu kommunizieren und deine Wünsche zu äußern.
Wenn du deine Bedürfnisse und Sichtweise richtig kommunizierst, d. h. deinem Gegenüber die Hintergründe deiner Position erklärst, wird dein Gesprächspartner es dir im Normalfall gleichtun. So kannst du erkennen, an welchen Stellen Potenziale für eine Lösung oder einen Kompromiss existieren.
Um Bedürfnisse nachvollziehbar äußern zu können, hat sich die „gewaltfreie Kommunikation“ (Gfk) von Marshall B. Rosenberg etabliert. Den Prozess, sich mitzuteilen, hat Rosenberg in vier Komponenten zerlegt (hier findest du das extrem lesenswerte Buch dazu. Und falls du nicht gerne liest, dann hole dir das Hörbuch, beispielsweise indem du dir ein 30-tägiges, kostenloses Probeabo bei Amazon Audible erstellst):
Als ersten Schritt für eine gelungene Kommunikation gibst du objektiv wieder, was in einer bestimmten Situation tatsächlich geschehen ist:
Es gilt hier, komplett sachlich zu bleiben! Wirklich komplett objektiv eine Situation zu beschreiben, kann dabei mitunter nicht so leicht sein:
ist beispielsweise nicht sachlich. Sondern eine Wertung und eine Interpretation.
Versuche, komplett auf Erklärungen zu verzichten. Schildere stattdessen einfach nur die tatsächlichen Fakten der Situation:
Das würde beispielsweise auch ein dritter, unbeteiligter Beobachter so wahrnehmen, der die Szene zufällig mitbeobachtet hat. Lass also jegliche Interpretation, Beurteilung und Bewertung weg! Insbesondere die Verwendung von bestimmten Adjektiven verwässert die Sachlichkeit: Denn was „viel“, „wenig“, „ungerecht“ oder „unangemessen“ ist, liegt im Auge des Betrachters.
Nachdem du die Situation objektiv (!) geschildert hast, kannst du mitteilen, was die beschriebene Situation in dir ausgelöst hat. Höre auf dein Inneres und nehme wahr, was dort geschieht. Teile es dann so offen und ehrlich wie nur möglich mit!
Beispielsweise:
Der Zugang zu eigenen Gefühlen fällt vielen Menschen erfahrungsgemäß schwer. Wenn du hier noch etwas Nachhilfe brauchst, so lies dir auch den Blogbeitrag zum Mitteilen von Gefühlen durch.
In diesem Schritt sagst du, welche deiner Bedürfnisse hinter deinen Gefühlen stehen. Denn Gefühle und Bedürfnisse sind eng verwoben: Fühlst du dich „gut“, so liegt es daran, dass deine Bedürfnisse erfüllt sind in diesem Moment. Fühlst du dich „schlecht“ (traurig, enttäuscht, verärgert, frustriert etc.), so ist ziemlich sicher eines oder mehrere deiner Bedürfnisse verletzt.
Zugegebenermaßen ist es nicht immer einfach, die eigenen Gefühle richtig zu benennen und einzuordnen. Die dahinter liegenden Bedürfnisse richtig zu erkennen, ist teilweise sogar noch etwas schwieriger.
Hör genau hin und versuche zu verstehen, was dir wichtig ist. Und was die Gründe für deine Gefühle und dein Verhalten sind. Welches deiner Bedürfnisse blieb unerfüllt? Entschleunigung ist hier der Schlüssel!
In der Beispielsituation könnten deine Bedürfnisse z. B. folgendermaßen lauten:
Hier kommunizierst du also dein Bedürfnis, verstanden zu werden. Und auch deine Bedürfnisse nach Akzeptanz, Austausch und Harmonie.
An deine Bedürfnisse kommst du, wie weiter oben bereits beschreiben, durch Fragen wie „Was hätte ich in der Situation gebraucht?“ oder „Was ist mir wichtig?“
Natürlich reicht es, wenn du vorerst auch nur ein (!) Bedürfnis kommunizierst. Wie z. B. das Bedürfnis nach einem offenen Austausch.
Eigene Bedürfnisse mitteilen führt dazu, dass dein Gegenüber nun weniger Interpretationsspielraum hat. Weil jetzt nachvollziehbar ist, was die Auslöser für deine Gefühle und Verhaltensweisen sind.
Abschließend kommt in dem Modell der „gewaltfreien Kommunikation“ noch dein Appell: Was wünschst du dir in Zukunft von deinem Gegenüber? Was kann sie bzw. er konkret tun oder lassen, um bei der Erfüllung deiner Bedürfnisse mitzuhelfen?
Drückst du dich derart klar aus, versteht dein Gegenüber deine Beweggründe und deine (nicht erfüllten) Bedürfnisse viel besser.
Ein netter Nebeneffekt ist, dass ein derart vorgebrachter Wunsch nicht auf technischen Widerstand trifft. Denn
Damit verbesserst du deine Kommunikation nachhaltig, weil du dich klarer mitteilst und insbesondere deine Bedürfnisse transparent kommunizierst.
Die oben besprochene Objektivität, Vorwurffreiheit und das Senden von Ich-Botschaften („Ich fühle mich ...“, „Ich brauche ...“, „Mir ist wichtig, dass ...“) ist auch der Grund, warum das Modell „gewaltfreie“ Kommunikation heißt: Du bist in deinen Äußerungen bei dir und verletzt insbesondere den anderen nicht durch Anschuldigungen oder ähnliches.
Hier genau liegt die Power der gewaltfreien Kommunikation: Anders als bei normalen (Streit-)Gesprächen bist du eben bei dir und nicht beim anderen („Ständig machst du ....“, „Immer bist du ...“)
Da du eigene Bedürfnisse erkennst und kommunizierst und deinem Gesprächspartner einen Einblick in die Hintergründe deiner Sichtweise gibst, wird er/sie vermutlich ebenfalls bemüht sein, auch seine/ihre Sicht der Dinge zu schildern. Inklusive der Gefühle und Bedürfnisse sowie einer Bitte an dich.
Durch diesen Kommunikationsfluss könnt ihr herausarbeiten, was ihr beide fühlt und braucht, um so wieder Verständnis und Harmonie in eure zwischenmenschliche Beziehung fließen zu lassen.
Um beim Bild des Eisbergs zu bleiben: Hier begebt ihr euch als Team auf einen Tauchgang in euer Innenleben und bewegt euch unter der Wasseroberfläche. Ihr erkundet gemeinsam die Welt, die sich dort befindet. Dies schafft Klarheit und führt zu einem ehrlichen Austausch und einer offenen, urteilsfreien Kommunikation.
Ich habe schon mehrere hundert Menschen dabei begleiten dürfen, sich in mehr Selbstempathie zu üben und Bedürfnisse klarer zu kommunizieren. Die hier vorgestellten Modelle wie die gewaltfreie Kommunikation sind also keine theoretischen Konstrukte, sondern praxiserprobt und funktionieren tatsächlich!
Um also deine Bedürfnisse richtig kommunizieren zu können, ist es wichtig, in dich hineinzuhören und im ersten Schritt deine eigenen Bedürfnisse zu erkennen: Was ist es, was du brauchst oder was dir wichtig ist? Dies teilst du dann deinem Gesprächspartner mit.
Aber bedenke, du hast natürlich das Recht, Bedürfnisse zu haben und diese zu äußern, aber keinen Anspruch darauf, dass dein Gegenüber dir diese auch erfüllt! Jedoch ist die Wahrscheinlichkeit größer, wenn dein Gesprächspartner Transparenz zu deinen Hintergründen hat.
Solltest du Unterstützung dabei wünschen, einen besseren Zugang zu dir und deinen Bedürfnissen zu bekommen, um eigene Bedürfnisse besser erkennen zu können und/oder generell deine Außenwirkung und Kommunikation zu verbessern, so ist ein persönliches Coaching der unmittelbare und effiziente Weg dahin.
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