Wenn du dich gerade fragst, ob du zu anspruchsvoll bist bzw. ob du zu hohe Ansprüche hast, lautet meine Vermutung: Ja!
Lass mich meine Hypothese ein wenig erklären, bevor du enttäuscht die Seite verlässt.
Hohe Ansprüche zu haben ist grundsätzlich nicht verkehrt. Wenn gewisse Rahmenbedingungen gegeben sind! Aber dazu gleich mehr.
Was sind überhaupt zu hohe Ansprüche? Und wer hat überhaupt das Recht, zu entscheiden, was angemessen ist und was nicht?
Die Frage „Habe ich zu hohe Ansprüche?“ wird dir dieser Artikel beantworten. Und dir auch verraten, wann du deine Ansprüche runterschrauben solltest und wie du laut der Psychologie zu angemessenen Ansprüchen kommst ;)
Eigentlich ist es doch nicht zu viel verlangt. Du willst doch nur ...
Selbst, wenn nicht alle Anforderungen auf dich persönlich zutreffen, so ist doch die Wunschliste vieler Menschen recht lang.
Vielleicht reicht dir auch ein „normaler“ Job. Du musst nicht unbedingt „Karriere“ machen. Vielleicht legst du auf Materielles überhaupt keinen Wert.
Du möchtest nur gesund und glücklich sein. Mehr nicht.
Natürlich hat zunächst einmal jeder das gute Recht auf gewisse Ansprüche. Jeder will eine gewisse Lebensqualität, eine gewisse Beziehungsqualität oder auch einfach einen gewissen beruflichen Erfolg – oder ähnliche Ziele erreichen.
1) Lebenszufriedenheit, Finanzen, Karriere, Beziehung … Alles sollte am besten passen. Und vorzeigbar sein. Die Folge davon: Zu hohe Ansprüche an sich selbst und an andere setzten dich und andere unter enormen Druck!
2) Die Welt schuldet dir nichts!
Ich werde gleich genauer auf diese beiden Punkte eingehen. Und dir auch den Weg zeigen, wie du zu hohen Ansprüchen entgehst. Zuvor aber noch einige Beispiele, die sehr schön die Denkweise unserer heutigen Gesellschaft widerspiegeln.
Und wenn ich von „zu hoch“ rede, meine ich damit schlichtweg „nicht angemessen“ oder „nicht realistisch“. Zumindest nicht in der kurzen Zeit, in der du dir die Erfüllung deiner Wünsche vorstellst. Nicht angemessene Ansprüche sind der Grund, warum dein Leben dich ständig enttäuscht.
Denn wenn deine Erwartungen (gelbe Linie) nicht von der Realität (grüne Linie) erfüllt werden, entsteht Frust:
Warum genau für einige Menschen die eigenen Ansprüche „zu hoch“ sind, dafür gibt es sehr individuelle Erklärungen. Es gibt jedoch einige Muster, die bei vielen recht ähnlich sind und zu einer übertriebenen Anspruchshaltung führen.
Einer der Hauptgründe, der oftmals für eine zu hohe Anspruchshaltung sorgt, ist Perfektionismus.
Bei Perfektionismus wird die Messlatte sehr hoch angelegt. Für einen selbst, aber auch für alles andere. Das Beste ist geradeso gut genug.
Grundsätzlich ist gegen Perfektionismus an sich nichts auszusetzen. Es ist löblich, wenn jemand versucht, aus sich oder seinen Werken das Beste zu machen.
Tatsächlich erbringen Perfektionisten durch ihre hohen Ansprüche an sich selbst oftmals tolle Leistungen. Und sind durch ihre Anspruchshaltung häufig sehr erfolgreich in dem, was sie tun.
Es gibt jedoch einen gewissen Punkt, an dem die Kosten der eigenen Bemühungen den Nutzen übersteigen. Dann wird es nicht nur anstrengend, sondern kann auch sehr frustrierend werden.
Denn Perfektionisten sind mit ihrer Leistung und ihren Ergebnissen selten zufrieden. Selbst wenn das Ergebnis objektiv betrachtet bereits „gut“ ist – schließlich geht es immer noch besser. Gut ist einfach nicht gut genug!
Immer dem Ideal hinterherzulaufen, kostet dich nicht nur Kraft. Selbst, wenn Perfektionisten all das schaffen, was sie sich vornehmen, fühlen sie sich oft nicht glücklich. Wenn sie ihre Ziele erreichen, sind sie damit höchstens für kurze Zeit zufrieden. Oder nehmen ihre Erfolge als solche gar nicht wahr.
So wird die Messlatte immer höher gelegt. Die Ansprüche steigen. Und werden die hohen Ansprüche nicht erreicht, ist der Frust groß.
Der durch Perfektionismus erzeugte Druck ist selbstgemacht. Aber durchaus real!
Es gibt jedoch noch weitere Faktoren für zu hohe Ansprüche, die nicht so offensichtlich sind.
Vor allem bei den sogenannten „Millennials“ (= auch Generation Y genannt. Die Generation, die zwischen 1980 und 1994 geboren wurde) und der „Generation Z“ (= auch iGen genannt, zwischen 1995 und 2012 geboren) existiert eine extreme Anspruchshaltung.
In dem folgenden Interview mit Simon Sinek kommt dies hervorragend zur Geltung. Dort geht es um die völlig überzogene Anspruchshaltung der Millennials bezogen auf ihren Arbeitsplatz. Dieses Video ist zwar auf Englisch, sollte dich aber vom Schauen nicht abschrecken. Denn es ist wirklich sehenswert. Es hat nicht umsonst fast 9 Millionen Views:
„Du bist was Besonderes. Du kannst alles im Leben haben, was du willst!“
Die beiden oben beschriebenen Generationen wurden und werden häufig von sogenannten „Helikopter-Eltern“ großgezogen. Damit sind Eltern gemeint, die alle Probleme ihrer Kinder lösen. Beziehungsweise diese davor bewahren. Und ihre Kinder somit zur Unmündigkeit erziehen.
Beispielsweise sorgen Helikoptereltern dafür, dass ihre Kinder gute Noten bekommen. Nicht etwa, weil sie diese verdient hätten. Sondern weil sich die Eltern bei den Lehrern beschweren, wenn das Kind mal eine Drei mit nach Hause bringt. Dann war die Klausur einfach „zu schwer“ oder „der Lehrer ist schuld!“
Das Kind wird also daran gewöhnt, mit wenig Leistung bestimmte Ergebnisse zu erhalten. Und nach einiger Zeit erwartet es bereits, dass es etwas bekommt, obwohl wenig bis gar nichts an Gegenwert reingesteckt wurde! Eine überzogene, fast narzisstische Erwartungshaltung wird erzeugt, trotz eigener Leistungslosigkeit: „Ich habe es verdient!“
In einer TikTok / Instagram / Snapchat Welt bekommt die Realität einen Filter.
„Seht alle her, mein Leben ist großartig“ (auch wenn ich eigentlich depressiv bin).
Ich poste etwas. Irgendjemand liked es. Dopamin wird freigesetzt. Ein kurzer Kick. Es fühlt sich gut an. Wir werden auf sofortige Belohnung konditioniert. Dazu passend auch der nächste Punkt:
Fühle ich mich einsam? „Freunde“ sind sofort über mobile Endgeräte erreichbar!
Bin ich horny? Swipe right! Tinder, Bumble etc. machen es möglich!
Brauch ich etwas? Online Shopping und Expresslieferung!
Langeweile? Netflix!
Eine Woche auf die nächste Folge warten? Serien on demand!
Durstig? Flaschenpost liefert innerhalb einer Stunde.
Hungrig? Lieferando, aber bitte möglichst unter 30 Minuten!
Kein Wunder also, dass die Ansprüche ins Unermessliche wachsen. Ich bin daran gewöhnt, Dinge sofort zu bekommen. Ich muss in nahezu nichts mehr Energie investieren. Das kann die Wahrnehmung von der Balance zwischen Geben und Nehmen schon mal verzerren. Aber auch weitere Faktoren tragen zu einer überzogenen Anspruchshaltung bei, wie in den folgenden Abschnitten beschrieben.
Wir wurden und werden mehr und mehr daran gewöhnt, dass es eine enorme Auswahl gibt. Und wenn eine große Auswahl nicht ausreicht, wenn wir ein Produkt kaufen möchten oder eine Dienstleistung in Anspruch nehmen wollen, so kann es passend auf unsere Bedürfnisse zugeschnitten werden.
Vor kurzem hieß es noch „Der Kunde ist König“. Ich habe aber erst letzte Woche in der Kölner Innenstadt ein Plakat mit dem Aufdruck „Der Kunde ist Gott“ gesehen.
Gab es früher eine oder zwei Sorten Shampoo, so gibt es heute dutzende. Gab es früher mal drei Handytarifanbieter, so gibt es heute hunderte.
Lebensmittel, Kleidung, Möglichkeiten der Freizeitgestaltung … Alles kann in unzähligen Varianten konsumiert werden. Wer möchte sich da schon festlegen?
Im Artikel über Entscheidungstypen habe ich bereits beschrieben, dass zu viel Auswahl unzufrieden machen kann. Darüber hinaus muss dieser Überfluss an Möglichkeiten fast zwangsläufig zu hohen Ansprüchen führen.
Warum sollte ich mich auch mit irgendetwas zufriedengeben? Es gibt bestimmt noch eine bessere Variante!
Wer hat nicht schon mal einen Abend (!) damit verbracht, sich einen Film auf Netflix auszusuchen? Um dann irgendwann aufzugeben, weil „nichts Passendes“ dabei ist.
Oder beim Dating: Ja, unser Date war gut … Aber festlegen möchte ich mich nicht. Da draußen sind noch sooo viele interessante Frauen / Männern. Zu hohe Ansprüche in der Partnerwahl führen dazu, dass viele Single bleiben.
Viele Möglichkeiten und hohe Ansprüche zu haben, klingt doch erst mal ganz gut. Aber damit sind auch hohe „Kosten“ verbunden, die sich negativ auf deine Lebenszufriedenheit auswirken:
So wächst eine ganze Generation mit einer verzerrten Wahrnehmung und einem schlechten Selbstwert auf. Die Ansprüche sind sehr hoch. Die Bereitschaft, dafür einen Gegenwert zu leisten, ist sehr gering.
Schau dir beispielsweise nur mal die ganzen „Wantrepreneure“ an (von wants to be an entrepreneur = Möchtegernunternehmer), die sich so auf Instagram oder ähnlichen Plattformen tummeln. Noch keinen Tag gearbeitet, aber „Geschäftsführer“ irgendeiner selbst gegründeten Firma – ohne Mitarbeiter, Produkte oder Umsätze. Keine Ahnung von Marketing und auch noch keinen Euro verdient. Sich selbst aber als „Online Marketing Experte“ oder ähnlich bezeichnen.
Witzig. Wenn es nicht so traurig wäre.
Für Persönlichkeitsentwicklung, Erfolg und Zufriedenheit am Arbeitsplatz oder vertrauensvolle, nachhaltige Beziehungen gibt es keine Apps. Dies sind langatmige, anstrengende Prozesse.
Das steht natürlich im Widerspruch zum „Ich will alles, ohne Gegenleistung – und zwar sofort“-Mindset.
Ein weiteres sehr schönes Beispiel zu überhöhten Ansprüchen habe ich aus einem YouTube-Video namens „Gleichberechtigung. Dauersingle.“ (ab Minute 16). In dem folgenden Ton-Mitschnitt aus diesem Video wird die Katalogmentalität der Dauersingles sehr deutlich:
Hier zeigen sich die unrealistischen Erwartungen in der Liebe und an den Partner. Wie weiter oben bereits beschreiben ist nichts falsch daran, Ansprüche zu haben. Bzw. einen bestimmten „Typ“ bei der Partnerwahl.
Die Frage ist nur, was bist du bereit dafür zu tun? Was legst du in die Waagschale, um deine eigene hohe Anspruchshaltung zu rechtfertigen?
Viele Menschen scheinen mir in diesem Punkt recht vernebelt zu sein. Vor allem bei Frauen ist immer häufiger das Phänomen zu beobachten, dass sie ein vollkommen falsches Bild von ihrem „Marktwert“ bekommen. Und ihre Ansprüche an „den Richtigen“ ins Unermessliche steigen. Dies ist hauptsächlich dem Online-Dating geschuldet.
Ich kenne Frauen, die über Onlineportale und Apps bis zu 400 Nachrichten (nein, ich habe mich nicht vertippt: vierhundert!) am Tag bekommen und seit Jahren Single sind – trotz starkem Beziehungswunsch.
Keinen „passenden“ Partner finden bei einem derartigen Angebot? Hier scheint die Wahrnehmungsverzerrung besonders stark am Werk zu sein. Dieses Singledasein erinnert ein wenig an das Gleichnis von Buridans Esel, der verhungert, weil er sich nicht zwischen zwei Heuhaufen entscheiden kann. Auf Reddit kursiert folgendes Meme zu dieser Situation:
Obwohl wir in einer Zeit leben, in der es uns historisch betrachtet noch nie so gut ging und in der es nahezu unbegrenzte Möglichkeiten gibt, steigt die Unzufriedenheit. Sowie die Quote der unfreiwilligen Singles. Die Rate der Menschen mit Depressionen ...
Die Realität kann mit unserer überhöhten Anspruchshaltung einfach nicht mithalten.
Für die Frage, wie du Ansprüche runterschrauben kannst, liegen die Antworten meiner Meinung nach klar auf der Hand:
Du siehst also, dass es keinen objektiven Maßstab dafür gibt, ob Ansprüche zu hoch sind. Jedoch empfehle ich dir, darüber nachzudenken, ob deine Ansprüche angemessen sind. Anstatt dich ständig zu fragen, was du vom Leben erwartest, frage dich lieber, was das Leben noch alles von dir erwarten darf! Wenn du dich also fragst „Habe ich zu hohe Ansprüche?“, geht es dir ja in erster Linie darum, was du bekommst. Was bist du denn bereit zu geben bzw. reinzustecken? Beispielsweise in deine Beziehung? Oder in deiner Karriere?
Wenn deine Ansprüche keinen Gegenpol besitzen, dann sind diese zu hoch! Solange du dazu bereit bist, dafür zu sorgen, dass deine Ansprüche auch gerechtfertigt sind, ist alles gut.
Wenn du neben zu hohen Ansprüchen weitere Marotten hast, mit denen du dir selbst im Weg stehst, könnte ein persönliches Coaching genau das Richtige für dich sein. Damit du deine Anspruchshaltung ehrlich reflektieren kannst. Und mit deinem persönlichen Coach daran arbeitest, deine gesetzten Ziele und die Lebensqualität, die du erreichen willst, durch realistische Ansprüche und zielführende Handlungen tatsächlich zu erreichen.
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